Samstag, 28. Juni 2008

Bauvoranfrage


III.

Allgemeine Ausführungen

Geringe Budgets zwingen vor allem junge Menschen dazu, ihre Wohnhäuser ohne Beteiligung eines Architekten zu planen. Diese Häuser, welche meist weder einer besonderen Wohnqualität für den Bauherrn entsprechen, noch die Ansprüche der Umgebung und des Ortsbildes aufnehmen, werden oftmals von einem Generalunternehmer (GU) oder Fertigbauunternehmen errichtet und entworfen. Diese Institutionen wissen, was im Genehmigungsprozess Probleme bereitet und umgehen diese Schwierigkeiten in jedem erdenklichem Umfang. Leider folgt aus dieser Vorgehensweise unweigerlich eine architektonische Missbildung der Dörfer. Ein GU wird niemals wirklich Teil an den Auswirkungen haben, die das Gebäude welches er errichtet, auslöst. Nach meiner Auffassung wird auf diese Weise das Ortsbild in vielen Gemeinden nachhaltig zerstört.

...

IV.

Städtebauliche Analyse

Vor Beginn der Planung haben wir uns intensiv mit den örtlichen Gegebenheiten und Charakteristika befasst. Zur Dokumentation dient der nachfolgende Auszug aus unserer städtebaulichen Analyse:

„Die Eifelregion hat in den letzen Jahrzehnten immer mehr das Image der „Schneeeifel“ verloren. Der „Schwarze Mann“ und die „Hohe 8“ sind zwar immer noch beliebte Winterssportanlaufgebiete, jedoch ist die Schneesicherheit der Eifel sehr unzuverlässig. Darauf hat die Politik in den letzten Jahren sehr stark reagiert. Die Maare und Radwanderwege werden zunehmend attraktiver beworben und der Tourismus in diese Richtung gelenkt. So sieht man dann auch in Neichen immer häufiger Gäste - meist niederländische Landesbürger - in Wandertracht oder mit dem Fahrrad. Die wohl bekanntesten Maare sind die „Dauner Maare“ - Ein sehr beliebtes Touristenziel.

Neichen ist eine Ortsgemeinde in der Verbandsgemeinde Kelberg im Landkreis der Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz. Neichen liegt 480 Meter über normal Null und auf einer Fläche von ca. 2,9 qkm leben 161 Einwohner. Es gibt 51 bewohnte Adressen (Dez. 2006).

Der Name ist auf das 14. Jahrhundert zurück zu führen: "Hof von den Eichen". Das heutige anlautende N ist der letzte Rest des Artikels.

Die gesamte Region erfährt starke Einflüsse durch den Nürburgring, welcher ca. 7 km vom Ort Neichen entfernt liegt. Zu Großveranstaltungen wie „Rock am Ring“, „Elefantenrennen“, „Truckgranprix“ oder „Formel 1“ sind Tourismusausläufe leicht wahrzunehmen. Die Masse wird allerdings in Kelberg aufgenommen. Trotzdem kann man sagen, dass dieser Ort am Geschehen vom Nürburgring teilnimmt. Zumal einmal jährlich die deutschen Tourenwagen Gran Prix direkt durch den Ortskern Neichen geführt wird.

Neichen hat keine unmittelbare Anbindung zu einer größeren Stadt. Köln ist zirka eineinhalb Autostunden entfernt und Trier zirka eine Autostunde. Die nächste Stadt ist Daun. Die Mosel und ihre Weinberge, sowie auch die fachwerkliche Stadthausarchitektur haben nahezu keinen Einfluss auf die Region. In Neichen ist keine klare städtebauliche Struktur zu erkennen. Es gibt keinen architektonischen Konsens, keine Sprache oder Architekturaussage.

Die Ortschaften der Region sind einfach entstanden. Dementsprechend lassen sich keine Schlüsse aus den Gebäudearten oder gar Dachformen ziehen. Die Dächer reichen vom Satteldach, Kragdach, Schleppdach, Walmdach, Krüppelwalmdach über Rhombendach und Zwerchdach bis hin zu diversen Erweiterungen bzw. Anbaudächern, die keiner Dachform zuzuordnen sind.

Um diese Vielgestaltigkeit der Gebäudearten und insbesondere Dachformen zu verdeutlichen, verweise ich auf die nachfolgenden Abbildungen von Häusern, welche allesamt in Neichen aufgenommen worden sind:


Die Mannigfaltigkeit der Bebauung beruht offensichtlich auf einer jeweils individuellen Interpretationen des Baurechts. Es gilt folgendes:

In zusammenhängend bebauten Ortsteilen, für die kein Bebauungsplan aufgestellt wurde, ist ein Bauvorhaben zulässig, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“ (§ 34 Baugesetzbuch). Im Weiteren gilt die Landesbauordnung Rheinland-Pfalz.

Die Quintessens der städtebaulichen Analyse bezüglich unseres Projektes ist daher folgende: Neichen hat sich über die Jahre entwickelt und ist gewachsen. Die Zeitsprünge spiegeln sich eindeutig und selbstbewusst in den verschiedenen Bauten wieder. Unser Gebäude fügt sich hervorragend in diese Zeitsprünge ein.

Eine besondere Stärke liegt in der Gemeinde, welche aufgeschlossen und gastfreundlich in Erscheinung tritt. Dafür sprechen der Dorfplatz mit der Wanderkarte, sowie vor allem auch der neu gestaltete Ortskern.

An dieser Stelle ergibt sich aus architektonischer Sicht ein interessanter Gedanke: Es könnte eine zukunftsorientierte städtebauliche Entwicklung entstehen, wenn die Gemeinde ihre Aufgeschlossenheit betont, die topographische Lage Neichens am Hang und die Natur in den Mittelpunkt stellt und daraus ein Thema formt, das sich städtebaulich und in der jeweiligen Architektur der Häuser widerspiegelt.

Mit diesem Gedanken sind wir in den Entwurf und die Planung gegangen.

Die Bauherren identifizieren sich gleichermaßen mit diesem Gedanken sowie auch mit dem Interesse der Gemeinde und blicken gespannt auf die zukünftige Entwicklung ihres Wohnortes und damit ebenso auf die Zukunft des Wohnortes ihrer Kinder.

IV

Beschreibung des Bauvorhabens und Begründung des Entwurfes

Die an der Planung Beteiligten:

Im Hintergrund der Planung stehen sehr bekannte Architekten der HafenCity-Universität Hamburg:

Herr Professor Wolff Mitto ist der aktivste Begleiter unseres Projektes. Er hat mehrere Architekturpreise gewonnen und seine Gebäude sind in vielen Fachbüchern und Zeitungen veröffentlicht worden. Der Häuser Awards-Preis ging 2008 unter anderem an Herrn Prof. Dr. Mitto. Die letzte Veröffentlichung war dieses Jahr in der „HÄUSER: Die Innovativsten Einfamilienhäuser“.

Zudem wurden folgende weitere Architekten zur Beratung und Planung herangezogen:

Dipl. Ing. Christof Hegel (Entwurfsanalyse und Konstruktionsgestaltung)

Dipl. Ing. Andreas Strate (Bauabläufe)

Prof. Dr. Udo Dietrich (Energieoptimierung)

Dipl. Ing. Jörg Jäckle (Entwurfsbegleitung, städtebaulicher Hintergrund)

Dipl. Ing. Prof. Katrin Wurzbacher (gestalterisch - statische Konstruktion)

Rechtliche Beratung bekamen wir von

Dipl. Ing. Prof. Dr. Wolfensberger (Baurecht)

Wir möchten Ihnen vermitteln, dass wir nicht leichtfertig an diese Bauaufgabe herangetreten sind und im Laufe der Planung von fachkundiger Seite beraten worden sind. Der Ort Neichen soll mit diesem Bauwerk aufgewertet werden, wobei die Vorschrift des §34 BauGB während der gesamten Planung beachtet worden ist.

Das Grundstück:

Wie viele Grundstücke in der Eifel liegt auch unser Grundstück an einem Hang. Ein Eingriff in das Erdreich hätte weitreichende Folgen für die Umgebung und Natur. Unser erklärtes Ziel war von Anfang an mit hohem Respekt an die Naturgegebenheiten heranzutreten.

Siehe dazu unsere schnelle Strichskizze:




Der Entwurf:

Bild 1 zeigt den Entwurf bzw. die Anpassung an die Grundstücksoberfläche, die wir uns für unser Gebäude wünschen. Wir wollen so wenig wie möglich in die gewachsene Natur eingreifen. Vielmehr wollen wir unser Bauvorhaben explizit in die natürlichen Gegebenheiten integrieren.

Die Alternative zeigt Bild 2: Wir graben unser Gebäude in das Erdreich. Auf diese Weise schaffen wir unattraktive Kellerräume, die

a) energetisch absolut keine Zukunft haben würden,

b) für die junge Familie Saxler unnötig hohe Kosten verursachen und

c) gleichzeitig keine attraktiven Wohnflächen darstellen.

In beiden Bildern wird ebenfalls deutlich, dass wir sensibel mit dem Thema der Dachform umgegangen sind. Im Bild 1 zeigen wir die von uns gewählte Dachform, die eine harmonische Anpassung an den Hang und somit eine sensible Integration in die Natur darstellt. Im Bild 2 wird ein Satteldach dargestellt, welches den Entwurf vollkommen zerstören würde. Ein Pultdach hätte die gleichen Auswirkungen.

In unserer Planung haben wir, wie bereits vorstehend erläutert, die Bedürfnisse der Nachbarn überprüft und unser Bauvorhaben diesen Bedürfnissen angepasst. Eine integrative Planung umfasst in unserem Sinne mehr als nur Bauvorschriften und Gesetze.

Welche Auswirkungen ein 2-geschossiges Gebäude, wohlmöglich noch mit einem Satteldach, auf die junge Familie Borsch gehabt hätte, können Sie anhand der gleich folgenden Schattenanalyse sehr gut begutachten. Die Familie Alwin und Regina Borsch waren sehr zufrieden, als ich Mitte Mai 2008 zusammen mit meinem Bruder und meinem Vater die Gebäudeecken absteckte und erklärte, dass wir sehr bewusst darauf geachtet hätten, zu hundert Prozent Rücksicht auf die Besonnung ihrer Untergeschosswohnung zu legen. Der wesentliche Teil unseres Bauwerks liegt oben auf dem Hang. Nur das Wohnzimmer und die Heizungsräume befinden sich auf der Seite, welche die Nachbarn beeinflusst. Wir haben entwurflich einige Nachteile in Kauf genommen, um diesen Bogen schlagen zu können. Wir haben durch die Verrohrung im Osten des Grundstücks 2 Meter mehr Abstandsfläche, als wir ursprünglich angenommen hatten. Damit verkürzte sich unser Bauwerk auf 10.60 Meter, was enorme Herausforderungen in der Grundrissplanung nach sich zog, und letztlich auch die „Spitze Ecke“ zu den Nachbarn Resi und Peter Annen begründet.

Wir wollten dennoch nicht von dem eingeschossigen Bauwerk OHNE hohes Dach gen Osten weichen.

Dies hat folgende Gründe:

a) Wir wollen die Wohnung der Familie Borsch nicht verschatten. Uns ist die nachbarschaftliche Beziehung zwischen den Bauherren Melanie und Sven Saxler und Regina und Alwin Borsch sehr wichtig. (gleiches Alter).

b) Wollten wir unter keinen Umständen der Familie Annen, welche Tante und Onkel des Bauherren sind, den Ausblick auf den Hoch Kelberg nehmen.

Beides würde ihr Vorschlag eines Satteldaches auf dem Hauptgebäude vollkommen aushebeln. Ein Pultdach hätte durch höhere Geschoßhöhen noch wesentlich schlimmere Auswirkungen auf die Nachbarn.

Dieses Bild zeigt die Besonnung des Nachbargebäudes im Juli zum Feierabend um 18h!

Dieses Bild zeigt die Besonnung um 18h im Oktober!!! Die Fassade hat immer noch Sonne. Mit einem Satteldach wäre sie verschattet.

Dies ist eine Variante zur Verdeutlichung. Wir haben das Gebäude des Nachbarn Borsch kopiert und auf unser Grundstück gesetzt. (So wurde es meinem Bruder auf der Bauverwaltung vorgeschlagen.) Wenn wir uns ganz streng auf die nachbarschaftliche Bebauung gestützt hätten, wären die daraus resultierenden Nachwirkungen für den Nachbarn Borsch sehr negativ: Die Fassade wäre verschattet, die Wohnung, welche allein im Erdgeschoss zu Wohnzwecken genutzt wird, völlig abgedunkelt.

Die Familien Annen würde frontal gegen die Seite des Gebäudes der Bauherren schauen. Damit wäre eine Intimsphäre zwischen den Nachbarn Saxler und Annen nur sehr schwer möglich. Unser Entwurf verschafft der Familie Borsch mehr Besonnung, die Familie Annen und Saxler genießen mehr Sichtschutz.

Auch auf dieser Zeichnung kann man gut erkennen, dass wir uns grundsätzlich an der Nachbarbebauung orientieren, uns jedoch unter keinen Umständen leisten können, diese dogmatisch zu kopieren.

Ein weiterer, für uns persönlich wichtiger Aspekt, ist die Umwelt:

Die Bauwirtschaft trägt einen unglaublichen Anteil an CO2 Emissionen. Wir sehen einen großen Teil unserer Verantwortung als Architekten auch darin, zukunftsfähig und umweltbewusst zu bauen. Grundsätzlich ist es am effektivsten, einen Würfel zu bauen. Dann sorgen wenige Außenflächen für einen größtmöglichen Innenraum. Natürlich ist dies nicht immer möglich und gewünscht, jedoch werden sich in Zukunft immer mehr Gebäude an diese wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen müssen. Dazu gehört auch die Gestaltung von Flachdächern. Flachdächer sind nicht nur wärmeenergetisch die Zukunft, sie sind zudem auch extrem effizient in ihrer Ausnutzung. Je weniger umbauter Raum, desto weniger Bauvolumen, desto weniger Material, desto weniger Umweltbelastung.

Weniger umbauter Raum bedeutet weniger Heizfläche und damit weniger Energievergeudung

In unserem Entwurf wurde – aus energetischen Gesichtspunkten – auf hausinterne Lagerflächen verzichtet und den Bauherren vielmehr ein unbequemer Gang nach draußen aufgebürdet, wenn sie Lagerfläche nutzen wollen. Der Lagerraum ist das Gebäude zwischen der Garage und dem Wohnhaus. Hintergrund ist, dass auf diese Weise die Energieeffizienz möglichst hoch gehalten werden kann.

Architektur und ihre Wirkung:

Neben der Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen sowie der Umweltaspekte, bildet auch unser architektonischer Anspruch einen sehr wichtigen Gesichtspunkt des vorliegenden Entwurfes.

Bei den diesjährigen Häuser Awards wurden 24 Einfamilienhäuser ausgezeichnet. Ein Gebäude hat ein Pultdach, fünf Gebäude haben ein Satteldach, 18 Gebäude haben ein Flachdach. Wir denken, diese Tatsache ist ein Teil der Zukunft, vor der auch Neichen sich unter keinen Umständen verschließen sollte, wenn die Gemeinde Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung des Ortes hat. Hierzu gehört es auch, jungen Menschen attraktive Möglichkeiten zur Bebauung des vorhandenen Baulandes zu bieten.

Architektonisch gesehen wäre die Aufstockung des vorliegenden Entwurfes um ein Sattel- oder Pultdach eine massive Abwertung - wenn nicht sogar völlige Verschandelung - des Entwurfes und der dahinter stehenden Idee.

Um dies zu belegen, werden nun folgende Bilder aufgezeigt:

Sie haben darum gebeten, dass wir Ihnen Bilder von „weiter weg“ senden. Wir vergleichen immer ein Satteldach von 35 Grad Dachneigung mit dem jetzigen Entwurf. Auch eine geringere Dachneigung würde das Projekt architektonisch zerstören und ebenfalls keine Entsprechung in der Nachbarbebauung finden.

Ein Blick vom Nachbarn Borsch:


Der Blick von der Gartenstraße, bitte achten Sie auf die Höhenverhältnisse:

Zum Schluss möchten wir auch noch einmal darauf hinweisen, dass weder die Vorschriften des BauGB noch die Bestimmungen der Landesbauordnung das Ziel haben, den Fortschritt des Bauens zu bremsen. Eine bauliche Entwicklung ist gewünscht, wenn sie unter Beachtung des Vorhandenen erfolgt. Diesen Gedanken haben wir bei der Entwurfsplanung nachhaltig berücksichtigt. Der Schutz des Dorfes und der Gemeinde hat für uns, ebenso wie der nachbarschaftliche Schutz, oberste Priorität.

Abschließend zur besseren Veranschaulichung noch ein paar Bilder aus der Perspektive des Betrachters:


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